Architekturzentrum Wien  
 

 
 
Hintergrund 42: Denkmal

Shop Nr.: 7742
Preis: € 7,00
vergriffen
   
Erscheinungsjahr: 2009

Inhalt
5 Vorwort

Thema – Denkmal
8 Heidemarie Uhl: „Gedächtnis“ und die Wiederkehr
des Denkmals in der Postmoderne
16 Irene Nierhaus: Denkmäler im Subjekt
Öffentlichkeit, Moderne, Stadtraum und Geschlecht
24 Manfred Schenekl: Frühstück in der Krypta
Das Heldendenkmal Heldentor
32 Denkmäler von Bogdan Bogdanovic

Az W Journal
50 „Was man in Symbole fasst ...“
Vera Grimmer im Gespräch mit Bogdan Bogdanovic
62 Denkmäler von Bogdan Bogdanovic
fotografiert von Friedrich Achleitner
72 Monika Platzer: Die „Goldene Stiege“ von Eugen Wörle
74 Publikation „Best of Austria“
76 Buchbesprechungen
84 Dietmar Steiner: Über Rob Krier
86 Kurzbios Autorinnen und Autoren
87 Team Az W
88 Mitglieder Architecture Lounge, xlarge Partner

Vorwort
Gabriele Kaiser
Im Wort „Denkmal“ fällt das Andenken (an etwas oder jemanden denken) mit der Zeichensetzung (ein Mal hinterlassen) zusammen.(1) Ehren oder Mahnen als die beiden Antipoden des Gedenkens sind in vielen Denkmälern autoritärer Ausdruck eines vermeintlich „besseren Wissens“, das es zu vermitteln gilt. Mit den herkömmlichen Begriffen einer Denkmalbetrachtung sind die poetischen Gedenkstätten, Mausoleen und Nekropolen, die der führende Denkmalarchitekt des ehemaligen Vielvölkerstaates Jugoslawien Bogdan Bogdanović (geb. 1922) zwischen 1951 und 1981 errichtete, freilich nicht zu fassen. In ihrer „archaischen Sprachlichkeit“ (Friedrich Achleitner) bilden sie einen leichtfüßigen Kosmos für sich und erhalten gerade in ihrem Verzicht auf ideologisches Vokabular dauerhafte Präsenz. Zu den Memorialarchitekturen von Bogdan Bogdanović, denen das Az W derzeit eine umfassende Ausstellung (05.03.–2.06.2009) widmet, hat der Kurator Ivan Ristić einen profunden Katalog (Wieser Verlag) zusammengestellt, wobei er in der Exponatauswahl aus dem Vollen schöpfen konnte: Über 12.500 Blätter (architektonische Entwürfe, Skizzen, Zeichnungen, Fotos) umfasst der künstlerische Vorlass, den Bogdan Bogdanović 2005 der Sammlung des Az W übergab. Wir freuen uns sehr, dass wir in dieser Ausgabe des Hintergrund ebenfalls kleine Einblicke in den Kosmos Bogdanović geben dürfen – seinem „Schöpfer“ sei gedankt! Um einen Eindruck von der vitalen Verfassung dieser surrealistischen Werke „im Gebrauch“ zu vermitteln, haben wir zudem eine kleine Auswahl seiner Denkmalanlagen zusammengestellt, die Friedrich Achleitner vor einigen Jahren fotografierte. Und Vera Grimmer hat für uns Bogdan Bogdanović dreimal zum Interview getroffen; zweimal in Wien, einmal in Belgrad, sprach sie mit ihm über seinen Werdegang, sein Leben und seine Arbeit.

Ergänzend zu diesem Bogdanović-Schwerpunkt haben wir für diese Ausgabe des Hintergrund den Bezugsrahmen zum Thema Denkmal ausgeweitet und dafür drei namhafte GastautorInnen gewonnen. Die Historikerin und Kulturwissenschaftlerin Heidemarie Uhl beschäftigt sich in ihrem Beitrag mit dem „Gedächtnis“ als einer kulturellen Dimension sozialen Handelns und mit der Wiederkehr des Denkmals in der Postmoderne. Das neu erwachte Interesse an Denkmälern im ästhetischen und kulturpolitischen Diskurs untersucht sie als ein Phänomen, das tief in den 1980er Jahren wurzelt. Noch kurze Zeit davor waren Denkmäler als anachronistische Instrumente einer politischen Propaganda in Misskredit geraten, vor allem die monumentale Denkmalpraxis des Nationalsozialismus hatte die Auseinandersetzung mit der Kulturtechnik „Denkmal“ zumindest in den sogenannten Tätergesellschaften anhaltend zum Erliegen gebracht. Erst durch die in den 1980er Jahren mit neuer Intensität geführten Debatten um den Umgang mit der NS-Vergangenheit und das von Alaida und Jan Assmann formulierte Konzept des „kulturellen Gedächtnisses“ konnte sich eine vielgestaltige Erinnerungskultur etablieren, die in ihren Ausdrucksformen nicht auf das Repertoire einer kommunalen Führungsebene beschränkt blieb: „Mit dieser Neuorientierung der Erinnerung im Hinblick auf die Jahre der NS-Herrschaft verbindet sich die zumindest partielle Entlegitimierung der bisherigen kulturellen Formungen des Gedächtnisses. Gerade im Hinblick auf die umstrittene Erinnerung an die ,dunklen Punkte‘ der ,eigenen‘ Vergangenheit verstehen sich diese Denkmäler als Zeichensetzungen eines Gegengedächtnisses bzw. als Kommentar zu bestehenden Denkmälern (etwa im Spannungsverhältnis des Hrdlicka-Denkmals auf dem Albertinaplatz zum Denkmal am Judenplatz).“

Mit den staatstragenden Apparaturen, den heroischen Köpfen und Körpern im Stadtraum, die seit dem 19. Jahrhundert nationale Identität und Öffentlichkeit als „Wissenspool gesellschaftlicher Werte“ formulieren, beschäftigt sich Irene Nierhaus in ihrem Beitrag Denkmäler im Subjekt. Öffentlichkeit, Moderne, Stadtraum und Geschlecht. Darin untersucht sie Denkmäler (im engeren und erweiterten Sinn) vor allem als „Erziehungsgeräte“, die gesellschaftliche Vereinbarungen veranschaulichen und nationale Leistungen monumentalisieren: „In Wien defilieren Wissenschaftler- und Erfinderbüsten vor den Universitäten. Im Inneren der akademischen Häuser assistieren Rektorenporträts in den Aulen. In Parks begleiten Komponisten und Maler die Spaziergänger. Um Parlament und Rathaus scharen sich Bürgermeister und Präsidenten. Letztere reichen als Porträtfoto bis in jedes Klassenzimmer und jeden Raum der öffentlichen Verwaltung.“ Das Figurenarsenal wandelt und erweitert sich mit jeder Epoche, so drang etwa das sozialdemokratische Wien mit seiner Darstellung von Patronanz auch in periphere Stadträume vor, indem Wohnanlagen Namen (und Porträts) von sozialistischen Denkern und Politikern erhielten. Doch nicht nur die „steinernen“ Figuren des Stadtraums, sondern auch mediale Bilder, TV-Helden jeglicher Art, bilden in der alltäglichen Symbolproduktion ein dichtes Netz aus Zuschreibungen und Beziehungen zwischen Bildern, Räumen, Blicken und Figuren.

Diese sinnstiftenden Beziehungen stellt der Historiker und Autor Manfred Schenekl auf ganz andere Weise her. In seiner Erzählung Frühstück in der Krypta. Das Heldendenkmal Heldentor holt er die Geschichte des Äußeren Burgtors in die Gegenwart zurück und verdeutlicht, dass kein Denkmal im Vergangenen eingeschlossen bleibt: „Das Denkmal macht wie auch immer Gewesenes zu einer Angelegenheit des Künftigen.“


(1)Eine oberflächliche Unschärfe des Begriffs äußert sich in der Uneinigkeit, ob der Plural von Denkmal, „Denkmale“ oder „Denkmäler“ laute. Wir wollen der Konvention folgen und das Denkmal in der Mehrzahl stets als Denkmäler stehen lassen.

© Az W 

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