Architekturzentrum Wien  
 

 
 
Paraíso Latinoamericano
Österreicher als Architekten in Lateinamerika

PRESSEINFORMATION
Pressekonferenz: Mittwoch, 01. März 2006, 11:00 Uhr
Eröffnung: Mittwoch, 01. März 2006, 19:00 Uhr

In Kombination mit der Ausstellung "Der unbekannte Loos: Walter"

Österreicher als Architekten in Lateinamerika
Österreich hat, praktisch seit der Entdeckung des Neuen Kontinents, einen besonderen Bezug zu Lateinamerika. Bis 1714 wurde das Herrscherhaus in Spanien als „los Austrias“ bezeichnet, in einer Zeit, als die Kolonialisierung Südamerikas in vollem Gange war. Während dieser Jahrhunderte reisten vor allem österreichische Geistliche in die neuen Länder, wie die Jesuiten Johann Rehr, der ab 1746 am Wiederaufbau der Kathedrale von Lima gearbeitet hatte und später zum Cosmógrafo Mayor des Reiches ernannt wurde, oder Martin Dobritzhoffer, der von 1750 bis 1766 bei den Abipones in der Provinz von Buenos Aires lebte und deren Geschichte und Sprache aufzeichnete. Bedeutend ist auch das Leben von Mathias Strobl, Jesuitenpater aus Bruck an der Mur, der 1729 nach Buenos Aires kam, mehrere Ortschaften gründete und persönlich am Bau einiger Kirchen beteiligt war. Mit der Vertreibung der Jesuiten 1767 aus den Kolonien der Spanischen Krone endete vorläufig die Emigration österreichischer Geistlicher nach Lateinamerika.

Erst mit der Unhabhängigkeit der spanischen Besitzungen in Amerika öffnete sich der Kontinent für Bürger anderer Länder, die innerhalb weniger Jahre wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen aufnahmen. Zu Beginn des 19. Jh. begann sich in Amerika eine eigene Identität zu formen, die sich am Austausch mit den „alten“ Ländern orientierte. Einer der ersten, die aus eigenem Veranlassen nach Amerika emigrierten, war Franz Wiesner von Morgenstern, der als Ingenieur und Coronel in der Armee von Paraguay diente. Er brachte es in seiner neuen Heimat zu Ansehen und Wohlstand, indem er in der Armee für den Aufbau von neuen Siedlungen, Errichtung von Verwaltungsgebäuden und „Technologietransfer“ verantwortlich war. Wiesner von Morgenstern stirbt 1878 in Asunción.

Ende des 19. Jh. kam Albert Siegel (*1870 in Wien) nach Chile. Nach seinem Architekturstudium in Dresden emigrierte er 1892 nach Valparaíso, wo er gemeinsam mit dem Schweizer August Geiger eine Ziegelei gründete. Ab 1905 errichtete er in Santiago zahlreiche Gebäude, die den kolonialen Charakter der Stadt veränderten. Die Gründung des Bezirks von Providencia, heute Zentrum der Stadt, geht auf seine Initiative zurück. Gemeinsam mit seinem Sohn errichtete er zwischen 1928 und 1935 die ersten Bauten mit sechs bis sieben Stockwerken, die zur Verdichtung des Zentrums beitrugen und heute das Finanzzentrum Santiagos darstellen.
Der wirtschaftliche Erfolg Südamerikas zu Ende des 19. Jh. veranlasste auch Oskar Ranzenhofer (*1877 in Wien) nach Argentinien auszuwandern, wo er in Buenos Aires gemeinsam mit Arturo Prins mehrere bekannte Bauwerke errichtete. Als letzten dem 19. Jh. verhafteter Architekt kann man Johannes Kronfuss (* 1872 in Budapest, gest. 1944 in Córdoba) bezeichnen. Nach seinem Studium an der Königlichen Akademie der Technischen Wissenschaften in München baute er zuerst in Russland, der Slovakei und Deutschland. Ein Wettbewerbsgewinn für die Nationale Universität von Buenos Aires brachte ihn 1911 nach Argentinien. Neben den Entwürfen für zahlreiche Bauten arbeitete er auch an der Universität in Buenos Aires und übersiedelte 1921 nach Córdoba, wo er sein Buch „Arquitectura Colonial en Argentina“ verlegte, ein Standardwerk für die Findung einer eigenen Identität der amerikanischen Architektur. Die große Emigrationswelle des beginnenden 20. Jh. brachte die Brüder Kalnay nach Buenos Aires, wo sie bis 1926 gemeinsam arbeiteten, meist noch dem Art decó verhaftet. Nach ihrer Trennung orientierten sie sich mehr an der Moderne und wurden zu deren bekanntesten Vertretern in Argentinien. Der sicherlich einflussreichste Österreicher in Südamerika war Karl Brunner. Er kam 1929 auf Einladung der chilenischen Regierung nach Santiago und war bis 1948 als Stadtplaner in Kolumbien, Panamá und Chile tätig. Einige der wichtigsten städtebaulichen Entscheidungen in Santiago, Bogotá und Panamá gehen auf seine Ideen zurück. Auch im sozialen Wohnbau, inspiriert vom Wiener Gemeindebau, schuf er richtungsweisende Projekte.

Eine große Gruppe von österreichischen Künstlern und Architekten emigrierte in den Jahren vor dem Krieg, teilweise als Verfolgte oder aus politischen Gründen. Von ihnen ist Jonas Mond zu erwähnen, der 1938 nach Buenos Aires auswanderte und einige kleinere Bauten sowie 2 Synagogen errichtete. Hans Waloschek kam 1936 nach Argentinien, wo er gemeinsam mit dem Argentinier Pérez Irigoyen eine Vielzahl von Projekten realisierte. 1952 kehrte er nach Europa zurück und arbeitete für die „Neue Heimat“, für die er Projekte in Brasilien und Peru entwarf. Tibor Weiner, ein Kommunist, war erst in Moskau tätig, von wo er 1935 vor Stalin fliehen musste. 1936 kämpfte er im spanischen Bürgerkrieg bei den Internationalen Brigaden und emigrierte 1939 auf der „Winnipeg“, einem von Pablo Neruda organisierten Auswanderungsschiff, nach Chile. Hier arbeitete er hauptsächlich an öffentlichen Gebäuden und war einer der Pioniere des Fertigbetons. 1949 wurde er nach Ungarn eingeladen, um an der Planung von Stalinvaros mitzuarbeiten. Walter Loos (*1905 in Wien, gest. 1974 in Buenos Aires) arbeitete als Architekt in Wien und Deutschland, bevor er 1938 über Großbritannien und die USA nach Buenos Aires auswanderte. Trotz erfolgreicher Bautätigkeit in Europa musste er sich in Südamerika mit neuen Lebens- und Arbeitsbedingungen arrangieren: neben einigen wenigen realisierten Gebäuden widmete er sich hauptsächlich Innenausstattungen, sowie dem Entwurf und Verkauf von Möbeln. 1943 erhielt er den Großen Argentinischen Staatspreis.
Ein Schüler Karl Brunners, Friedrich Blodek, reiste Ende 1938 nach Barranquilla in Kolumbien, wo er mehrere Jahre als Architekt und Bauleiter einer lokalen Firma tätig war. 1945 übersiedelte er nach Medellin, wo er in den folgenden 50 Jahren die wichtigsten Verwaltungsgebäude im Zentrum der Stadt baute. Blodek war führender Vertreter der Moderne, seine Arbeiten sind lokal und national ein Beispiel moderner Architektur in Südamerika geworden. 1978 wurde Blodek mit dem Verdienstkreuz für Kunst und Wissenschaft in Wien ausgezeichnet, 1987 erhielt er die Auszeichnung „Pionier der Konstruktion“ in Kolumbien, wo er 2001 96-jährig starb.

Obwohl die Emigration von Europa nach Südamerika stark zurückgegangen ist, lebt eine Reihe junger oder neuer Emigranten aus Österreich als Architekten in Lateinamerika. Der 1957 in Wien geborene Michael Bier studierte an der TU Wien Architektur, an der Uni Wien Ethnografie und Sinologie. Nach mehr als acht Jahren auf Reisen und einem Doktoratsstudium emigrierte er 1992 nach Valparaíso in Chile. Dort gründete er eine Investment- und Baufirma und arbeitet seither an der Realisierung eigener Projekte. Durch seine Wiener Tradition und Kenntnis der historischen Architektur wurde er in den letzten Jahren zu einem wichtigen Protagonisten der Stadterneuerung in seiner neuen Heimatstadt, welche seit 2002 Weltkulturerbe ist. 2003 gründete er, zusammen mit seiner Frau und vier weiteren Kollegen, das Zentrum für zeitgenössische Stadtentwicklung. Während sich Michael Bier mehr der Konstruktion widmet, hat sich Hubert Klumpner, gemeinsam mit seinem venezolanischen Partner Alfredo Brillembourg, durch seine theoretischen Arbeiten einen internationalen Namen geschaffen. Der 1965 geborene Salzburger kam nach einem Fullbright Stipendium in New York 1996 nach Caracas, wo er Gründer und Direktor des Caracas Urban Think Tank wurde, einer NGO die sich im erweiterten Sinn mit Architektur und Urbanismus in Lateinamerika beschäftigt. Mexico City, mit mehr als 20 Millionen Einwohnern, immer schon Favorit der österreichischen Emigranten, ist die Wahlheimat von Uli Stehlik und Bernhard Rehn. Uli Stehlik studierte an der TU Wien, hatte mehrere Auslandsstipendien, die sie auch nach Mexico brachten. Ihre Diplomarbeit erarbeitete sie an der Nationalen Universität von Mexico, an die sie nach ihrem Studienabschluss wieder zurückkehrte. Heute lebt sie als freischaffende Fotografin und Filmemacherin in Mexico. Bernhard Rehn kam ebenfalls mit einem Stipendium nach Mexico, allerdings nach Mérida, Yucatán. Nach Abschluss seines Studiums in Graz arbeitete er einige Jahre in Wien und Stuttgart, bevor er über Mérida nach Mexico City zog. Rehn schaffte es, in dieser Megacity als freischaffender und kompromissloser Architekt bestehen zu können und ist neben der Realisierung einiger Bauprojekte mit der Organisation und Gestaltung von Ausstellungen beschäftigt. Der derzeit jüngste Emigrant ist Wolfgang Timmer, ein Grazer, dessen Wahlheimat Bogotá ist. Auch er kam, nach mehreren Auslandsstipendien in Paris und Brüssel, nach seinem Diplom an der TU Graz 2004 zu einem Praktikum nach Bogotá. Zuerst arbeitete er in verschiedenen lokalen Büros, seit 2005 ist er bei der „Corporación La Candelaria“ beschäftigt. Diese Korporation ist für die Verwaltung und Erneuerung des historischen Zentrums von Bogotá verantwortlich, Timmer arbeitet dabei an städtebaulichen Analysen und kleineren Bauprojekten mit.



© Urban Think Tank Caracas 

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