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Entlang zweier topologischer und Wirtschaftsrouten in die Stadt, der Küstenlinie zwischen Santa Croce und Triest (Litorale) und der Karstebene (Altipiano), werden einzelne signifikante Bauobjekte, schwerpunktmäßig aber städtebaulich relevante Projekte besichtigt und beprochen, und auf die Herausforderungen der spezifischen Lage Triests in der zweiten Hälfte des 20. Jhdts. und jetzt eingegangen.

Als Leitbild für diese Führung fungiert ein neues, jetziges Triest, das versucht, sich z.B. mit der durch die politischen Veränderungen in Ex-Jugoslawien gewandelte Ausgangslage auseinanderzusetzen. Wenn die Architektin Gigetta Tamaro sagt: ‘Triest ist eine kleine Stadt. Seit dreissig Jahren geht es um die selben Projekte’, so kommen nun doch zusehends Interessen und Vorhaben überregionalen Ausmaßes (z.B. Expo-Bewerbung) zur Geltung, die neuer Handlungsformen bedürfen und sie produzieren. Die Tour stellt nicht Objekte im üblichen Sinn vor. Vielmehr geht es um die Darstellung der Kontexte und Entstehungprozesse, die auch die jahrzehntelange Ausklammerung der Stadt aus jedem architektonischen Diskurs nachvollziehbar macht und ihre Relevanz für die aktuellen Vorhaben verdeutlicht. Aus diesem Grund haben wir, soweit es möglich war, für die einzelnen Stationen Experten oder die Architekten selbst eingeladen, um im O-Ton zu berichten.

Das Programm des ersten Tags befaßt sich mit der Anlage der Stadt, ihren Beziehungen zum Meer und dem durch Nähe und Brüche charakterisierten Einzugsgebiet am Karst, sowie den großen städtebaulichen Vorhaben an der Küste, die seit Jahrzehnten die architektonische Debatte in Triest dominieren. Um das Verständnis des Zugangs zu Triest zu verdeutlichen, bedient sich diese Tour eines Schiffs als Verkehrsmittel: mit mehreren Stops - beginnend beim Porticciolo von Santa Croce, ca. 10 km westlich von Triest gelegen - wird die Küste abgefahren und landet im alten Hafen (Porto Vecchio), dessen Neunutzung derzeit verstärkt Angelpunkt heftiger Kontroversen ist. Der Abschnitt ‘Litorale > Città’ wird mit einem Besuch im von Carlo Scarpa projektierten Umbau des Museo Civico Revoltella abgeschlossen.

Für Interessierte bieten wir am Samstag noch folgende Sondervorhaben:
eine Besichtigung des Mercato Coperto (1936) am frühen Morgen, des Flagship Store Illy im Anschluß an die Litorale-Tour, und ab 21.00 ein Drink mit Triestiner Architekten und Experten im Caffé San Marco.

Am zweiten Tag startet die Route in San Sabba am anderen Ende der Stadt und zieht sich dann zum Altipiano, zum urbanen/periphärischen Quartier von Rozzol Melara und Cattinara.  Mit der Scuola Media von Agosto/Grassi/Rossi/Tentori und zwei Arbeiten von Romano Bioco, dem Monumento Nazionale Risiera und der Villen-Siedlung I Tigli, werden einige der raren Beispiele von relevanter moderner Architektur in Triest vorgestellt. Ausführlich behandelt wird dabei besonders die Risiera, da es durch den Wiener Diskurs anlässlich der Einrichtung des Mahnmals Judenplatz aktuelle Vergleichsebenen gibt.
Als Abschluß werden die beiden benachbarten, aus den 70er Jahren stammenden Großprojekte Rozzol Melara (Wohnbau) und das Ospedale Cattinara vorgestellt, deren Haltung höchst kontroversiell rezipiert wird und die mit der zunehmenden Verbindung Triests mit dem ursprünglichen Hinterland im heutigen Slowenien auf Grund ihrer neuralgischen Lage Teil eines aktuellen Diskurses werden.

Gangart operiert seit '86 als interdisziplinäre künstlerische Praxis. Fokus der Arbeit ist die Auseinandersetzung mit Sites im Sinne einer Schichtung und Gegenüberstellung von - perzeptiven, historischen, politischen - Zeiten und Lesearten. 

Die Arbeiten sind installative Eingriffe und Interventionen - meist mit einer Zeit- und Nutzungs-/Benutzungs-
komponente - in historische und zeitgenössische Architekturen und ins Urbane, Projekte in Museen und im öffentlichen wie im privaten Raum. Diese Räume werden nicht nur als  bauliche sondern insbesonders auch als ideologische Herausbildungen begriffen. 

Die Praxis interdisziplinärer und interkultureller Kooperation und die Auseinandersetzung mit ökonomischen und politischen Realitäten als Faktoren künstlerischer Produktion sind konstitutive Aspekte der Arbeit von Gangart.

Simonetta Ferfoglia und Heinrich Pichler sind Gründungsmitglieder von Gangart.