Architekturzentrum Wien  
 

 
 
Amt Macht Stadt
Erich Leischner und das Wiener Stadtbauamt

Veranstaltungsort: Architekturzentrum Wien - Alte Halle
Ausstellung: 16. Juni 1999 - 2. August 1999
Eröffnung: Dienstag, 15. Juni 1999, 19 Uhr

Das Wiener Stadtbauamt als eigene städtische Amtsstelle war im Jahr 1835 aufgrund einer kaiserlichen Entschließung entstanden. Die Zusammenfassung aller in der Stadt mit dem Bauwesen und der Technik befassten Dienststellen war Ausdruck der sich ausweitenden städtischen Aufgaben zu einer Zeit, als zahlreiche bis dahin von Privaten bewirtschaftete Einrichtungen in kommunale Verwaltung übergeführt wurden.

1. Weltkrieg
Lag bis zum 1. Weltkrieg - in einer Zeit enormen Bevölkerungswachstums unter dem Bürgermeister Karl Lueger - der Schwerpunkt der Tätigkeiten auf dem Gebiet der Verbesserung der technischen Infrastruktur, sowie der vorausschauenden Stadtplanung, änderten sich die Aufgaben mit dem Zerfall der Monarchie und den damit einhergehenden tiefgreifenden Veränderungen auch für das Wiener Stadtbauamt grundlegend.

Rotes Wien
Die Kommunalpolitik des Roten Wien, die von den regierenden Sozialdemokraten als Musterbeispiel "anderer" Politik verstanden wurde, legte ihr Schwergewicht auf Wohnbau und Fürsorge. Daraus entstanden neue Bauaufgaben, die an zentraler Stelle von Architekten des Wiener Stadtbauamtes ausgeführt wurden. Besonders am Beginn der 20er Jahre waren die in der Architekturabteilung beschäftigten Beamten mit der Planung von städtischen Wohnhäusern und Siedlungen beschäftigt. Als mit dem Beschluss des 1. Wohnbauprogrammes der Gemeinde Wien im September 1923 die Zahl der zu errichtenden Wohnhäuser sprunghaft anstieg, wurden zunehmend auch freischaffende Architekten mit grossen Bauprojekten beauftragt. Die Abwicklung blieb aber weiterhin in der Kompetenz des Wiener Stadtbauamtes. Dort wurden auch einige zentrale Richtlinien für die neuen Wohnungen ausgearbeitet, die für alle Gemeindewohnungen als Standard galten. Bis 1934 wurden etwa ein Viertel aller Gemeindewohnungen (das sind mehr als 15000 Wohnungen) von Architekten des Wiener Stadtbauamtes errichtet.
Neben dem Wohnungsbau sind insbesonders die zahlreichen Fürsorgeeinrichtungen und Nutzbauten wie Kindergärten, Schulen, Bäder und Badeanlagen,Wasserwerke, Feuerwehr, Parkanlagen und Friedhöfe zu erwähnen. Bei fast allen Planungen war Erich Leischner an führender Stelle beteiligt.

Architektonische Identität
Parallel zur personellen Kontinuität im Wiener Stadtbauamt und durch seine übergeordnete Rolle - insbesondere der Architekturabteilung - ist die Entstehung einer architektonischen Identiät zu beobachten ­ einer eigenständigen Architektursprache, die über das bekannte Wohnbauprogramm hinaus auch alle weiteren Kategorien der kommunalen Bauvorhaben erfasste und eine eindeutige Zuordnung zum kommunalen Bauprogramm ermöglichte.

Die Wurzeln dieser stilistischen Spielart finden sich bei Otto Wagner und dem Stadtbaudirektor Heinrich Goldemund. Die Schüler Otto Wagners hatten durch den Schwerpunkt ihrer Ausbildung und vielfach auch durch die Mitarbeit im Atelier von Wagner Routine im Umgang mit grossen Baumassen und städtebaulichen Problemstellungen, was zur Folge hatte, dass die Wagner-Schüler in grosser Zahl mit kommunalen Bauaufträgen unterschiedlicher Größe betraut ­ und in Einzelfällen als ständige Architekten der Architekturabteilung des Wiener Stadtbauamtes angestellt wurden (Konstantin Peller, Gottlieb Michal, Engelbert Mang, Karl Ehn).

NS Diktatur
Mit dem Einmarsch der Nationalsozialisten änderten sich auch für das Wiener Stadtbauamt einige Voraussetzungen grundlegend. Es kam zwar kaum zu personellen Veränderungen, jedoch innerhalb der Beamtenschaft zu einer Neuverteilung der Posten. Sowohl die Ausweitung des Stadtgebietes auf "Groß-Wien" als auch die im Hinblick auf den Krieg stattfindende administrative und bauliche Neuausrichtung brachten neue Bauaufgaben. Der Wohnbau kam ­ von einigen wenigen Siedlungen abgesehen ­ vollkommen zum Erliegen, statt dessen wurden Kasernen, Luftschutzbunker und Behelfsheime errichtet. Für die Planungen dieser Bauvorhaben ­ wobei der Umfang insgesamt sehr gering war ­ zeichneten neben reichsdeutschen Architekten insbesondere die beamteten Architekten des Wiener Stadtbauamtes verantwortlich.
Die sichere Stellung bei der Gemeinde Wien bot - neben einer häufigen Befreiung vom Wehrdienst - auch die Möglichkeit in einer sehr angespannten Situation dennoch Planungsaufgaben ausführen zu können.

Wiederaufbau
Im Wiederaufbau waren es abermals die Architekten des Wiener Stadtbauamtes, die entscheidend die Richtung der baulichen Ausgestaltung Wiens nach den Zerstörungen des Krieges mitbestimmten. Somit ergibt sich ein über Jahrzehnte und die unterschiedlichsten weltanschaulichen Regierungen reichendes Spektrum, welches für die Wiener Stadtgestaltung ganz prägende Zeichen setzen konnte.
Mit der Auflösung der Architekturabteilung bzw. der Überführung in andere Abteilungen (MA 19) in der Phase des Wiederaufbaus 1949 zog sich das Wiener Stadtbauamt weitgehend aus der planenden und ausführenden Rolle auf die Beratung zurück, und überließ die kommunalen Bauaufgaben in verstärktem Maße den freischaffenden Architekten.


© Martin Gerlach, Wiener Stadt- und Landesarchiv 

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