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Veranstaltungsort: Architekturzentrum Wien - Alte Halle
Ausstellung: 18. Mai 2000 - 7. August 2000
Eröffnung: Mittwoch, 17. Mai 2000, 19 Uhr
Auszüge aus einem Vortrag von Friedrich Achleitner. Sie können den gesamten Text downloaden (Word RTF-file)
Dieses Haus stammt aus dem 8. Jahrhundert, erbaut 1898 oder Von der Gnade des Verschwindens
Einige Aspekte der Beziehung von Architektur und Zeit Einige Aspekte der Beziehung von Bauwerk und Zeit oder Material, Struktur, Form als Dorados schlampiger (schlamperter) Verhältnisse mit der Zeit Das Ornament, die leicht lesbare Erscheinungsform des Zeitlichen
Der chinesische Fremdenführer, der uns, ohne mit der Wimper zu zucken mitteilte, dieses Haus (genaugenommen war es eine Pagode, aber der Begriff war für den Titel meines Vortrags in Lech zu spezifisch) sei aus dem 8. Jahrhundert und wurde 1898 errichtet, hatte natürlich keine Ahnung, dass, nach unserem kulturellen Umgang mit dem Zeitbegriff, eine solche Aussage unzulässig ist. Wir, Gesellschafter einer Reliqienkultur, fesseln die Zeit an die materielle Existenz des Gegenstandes und erlauben nur den Ideen eine gewisse Zeitlosigkeit.
Wir binden also die Form an den materiellen Träger und leiden an dessen Hinfälligkeit. Ja wir trauern so heftig, dass uns die Idee im dahinsiechenden Gegenstand verschwindet, und wir halten ihn so lange fest, restaurieren an ihm solange herum, bis uns auch seine Materie unter den Händen zerbröselt und sich in eine total neue verwandelt. Wer getraut sich zu schätzen, was im Sinne eines Originals vom Wiener Stephansdom noch original ist. Vermutlich hat sich im 19. und 20. Jahrhundert der Dom sehr weitgehend erneuert, so dass wir schließlich doch, nur auf Umwegen, mit verbergenden Mitteln und uneingestandenermaßen, die Kultur des fernen Ostens erreichen. [...]
Einschub
Ich muß die Denkmalpfleger unter Ihnen jetzt bitten wegzuhören. Die wirklich ewigen Bauwerke sind vermutlich die Verschwundenen. Erst das verschwundene Bauwerk kann seine Vollkommenheit entfalten. Nicht, dass es ist, ist seine Bedeutung, sondern dass es einmal war. Und gewesen ist ewig. Während sich das existierende Bauwerk immer mehr von seiner Vollkommenheit entfernt und seinen Übergang in einen Dauerzustand als Verschwinden betrauert, akkumuliert und vermehrt das verschwundene Bauwerk das Wissen über sich, es stattet sozusagen permanent seine Vollkommenheit aus und entsteht in der Erinnerung der Menschheit neu und erreicht so eine nie gehabte Vollkommenheit. Die Erinnerung ist eine Gegenstrategie gegen das Verschwinden. Allerdings begibt sich dann die Vollkommenheit in eine neue Abhängigkeit, in die des Erinnerungsvermögens. Fazit: Uns bleibt nur die Wahl zwischen zwei Unvollkommenheiten. Und, werden jetzt die Denkmalpfleger sagen, dann ist uns schon die Unvollkommenheit existierender, also anschaubarer Bauwerke lieber. [...]
Gehalten im September 1999 in Lech/Arlberg im Rahmen des Symposiums “Philosophicum Lech” - Die Furie des Verschwindens
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© Pez Hejduk
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